Werkstatt: Keimzellen für Quartierswärme – Von der Konzeption bis zur Umsetzung
An vielen Standorten in Berlin sind die Potenziale an erneuerbarer Wärme und Abwärme größer als für ein einzelnes Gebäude nutzbar. Das gilt zum Beispiel für große Abwasserkanäle, Pumpwerke oder auch Abwärme aus Gewerbebetrieben. Durch Quartierswärmekonzepte werden umliegende Gebäude mitversorgt, sodass das Wärmepotenzial umfänglich genutzt werden kann. Um die Wärmewende in Städten voranzubringen, müssen Quartierswärmekonzepte auch in Bestandsgebieten realisiert werden. Wie kann Berlin geeignete Quartiere finden und klimaneutrale Quartierswärmeprojekte in die Umsetzung bringen? Über mögliche Maßnahmen diskutierten IÖW und BBH in einem Werkstattgespräch mit Akteuren aus Verwaltung, Wohnungs- und Energiewirtschaft.
Öffentliche Gebäude als Keimzellen der Quartierswärme
Am besten können Wärmekonzepte ausgehend von Keimzellen entwickelt werden. Dafür eignen sich öffentliche Gebäude und Wohngebäude der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften: Zum einen haben Land und Bezirke hier unmittelbar Einfluss auf die Wärmeversorgung, zum anderen weisen die Gebäude oft ein Potenzial zur Mitversorgung weiterer Häuser auf. Öffentliche Liegenschaften können außerdem Standorte etwa für Großwärmepumpen bieten, die in bestehende Wärmenetze integriert werden können. Diese Möglichkeiten sollten in Berlin systematisch genutzt werden.
In einem virtuellen Werkstattgespräch am 25. August 2021 tauschten sich die Forschenden des Projekts Urbane Wärmewende mit Vertreter/innen der Bezirke, der Wohnungswirtschaft, der Fernwärme-Betreiber und der städtischen Wohnungsbaugesellschaften dazu aus. Ziele der Veranstaltung waren ein Erfahrungsaustausch zur Quartiersentwicklung rund um öffentliche Gebäude und zu möglichen Schnittstellen mit der Berliner Fernwärme. Gemeinsam wurden Maßnahmen und Rahmenbedingungen identifiziert, wie öffentliche Gebäude in Berlin systematisch für Quartierswärme erschlossen werden können.
Chancen nutzen: Betriebsprämie und Prüfpflicht
Das IÖW stellte Ergebnisse von modellbasierten Simulationen und Berechnungen vor. Die Ergebnisse zeigen am Beispiel eines Modellquartiers, dass die vorhandenen Abwasserwärmepotenziale an vielen Standorten nur über Quartierswärmekonzepte genutzt werden können. Dank der Betriebsprämie – eines Förderprogramms des Bundes für effiziente Wärmenetze – können Quartierswärmekonzepte mit Abwasser-Großwärmepumpen zu günstigeren Wärmegestehungskosten führen als eine dezentrale Versorgung mit Erdgas oder Fernwärme.
Die Rechtsanwaltskanzlei BBH informierte über aktuelle rechtliche Rahmenbedingungen. Bei der Umsetzung der Quartierswärme durch öffentliche Gebäude ist insbesondere das Vergaberecht zu beachten. Eine In-House-Vergabe ist zwar grundsätzlich möglich, allerdings nur, wenn die öffentliche Einrichtung mindestens 80% der Quartierswärme selbst verbraucht und maximal 20% der Wärme an andere Gebäude oder Nutzer/innen verkauft. Daher wird in vielen Fällen ein Vergabeverfahren erforderlich sein.
Um die Quartierswäre voranzubringen, schlug BBH vor, eine Anpassung im Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz (EWG Bln) zu prüfen: Weil öffentliche Gebäude eine Vorbildfunktion haben, ließe sich hier eine Prüfplicht zur Mitversorgung umliegender Gebäude verankern.
Praxisakteure fordern klare Zuständigkeiten und eine gute Koordination
In der gemeinsamen Diskussion ergab sich, dass eine Prüf- oder Berichtspflicht durchaus sinnvoll sein kann, um eine systematische Prüfung zu erreichen. Allerdings müssten dafür zunächst die notwendigen Daten wie ein Wärmekataster und Daten zu den Potenzialen erneuerbarer Energien und Abwärme zur Verfügung stehen. Zudem wurde auf den dadurch entstehenden Fachkräftebedarf in der Berliner Verwaltung hingewiesen. Die Politik müsse zunächst die Zuständigkeit definieren und die Verantwortung bündeln: Es sollte klar sein, wer den Prozess koordiniert, die Akteure zusammenbringt, ein Vergabeverfahren organisiert, Verbindlichkeit herstellt und Planungsleistungen beauftragt. Erst dann könnte Quartierswärme ein Erfolgsmodell werden. Das Projekt plant eine Veröffentlichung zum Thema Quartierswärme, in das die Ergebnisse des Werkstatt-Gespräches einfließen werden.