Energiewende: Wärmeversorgung bislang stiefmütterlich behandelt

Etwa drei Viertel aller Ressourcen werden in Städten verbraucht, sie sind für knapp 80 Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich. Bis 2050 sollen die Treibhausgasemissionen um 95 % sinken. Um globale Herausforderungen wie Klimawandel, Energiewende und Ressourcenschutz zu lösen, haben urbane Lebensräume eine Schlüsselfunktion. Auch das Land Berlin bekennt sich zu den internationalen Klimaschutzzielen. Um die Vision einer CO₂-neutralen, ressourcenschonenden Stadt zu verwirklichen, muss die städtische Energieinfrastruktur so gestaltet werden, dass sie eine sozial-ökologische Transformation unterstützt und Mensch und Umwelt schützt. Es müssen daher zügig Lösungen umgesetzt werden, die eine Wärmeversorgung ohne Kohle, Heizöl und mittelfristig auch ohne Erdgas ermöglichen. In Städten gibt es viel Potenzial für eine nachhaltige Wärmeversorgung: Gewerbliche Abwärme, Abwasserwärme, Erdwärme, Solarenergie und je nach Standort Flusswasserwärme. Damit die urbane Wärmewende gelingt, müssen neben der energetischen Gebäudesanierung erneuerbare Energien und Abwärme in die städtische Wärmeversorgung integriert werden.

Die Energiewende führt dazu, dass die einzelnen Sektoren Wärme, Gas und Strom nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden können. Vielmehr bedarf es einer intelligenten Vernetzung, um übergreifende Klimaschutzsynergien und eine stabilere und flexiblere Infrastruktur zu ermöglichen. Genauere Vorstellungen zur Transformation der Wärmeversorgung und -infrastrukturen fehlen allerdings bislang, obwohl der Wärmebedarf in Deutschland mit über 50 Prozent Anteil am Endenergieverbrauch mit Abstand die größte Rolle spielt (Neben etwa einem Drittel der Endenergie, die für Raumwärme und Warmwasser eingesetzt wird, zählen weiterhin Prozesswärme und -kälte in der Industrie dazu).

Derzeit werden verschiedene Zukunftsentwürfe der Wärmeversorgung diskutiert, die von der Stärkung zentraler Netzinfrastrukturen (Verdichtung und Ausbau), über die Ausweitung dezentraler Niedertemperaturnetze bis zu einem Rückbau der Wärmenetze zugunsten dezentraler Heizungssysteme reichen. Bei politischen Entscheidern und Stakeholdern besteht eine große Unsicherheit, wie eine solche Wärmewende, auch unter Berücksichtigung sozial-ökologischer Aspekte, aussehen soll.

Herausforderungen für die Energiewende

Die Wärmewende steht derzeit vor verschiedenen Herausforderungen:

Energetische Sanierung hinkt hinterher

Die Höhe des zukünftigen Wärmebedarfs hängt davon ab, welches Effizienzniveau erreicht werden kann. Die realisierten Sanierungsraten verfehlen die Zielwerte für die energetische Gebäudesanierung bislang deutlich. Daher stellt sich die Frage, wie höhere Sanierungsraten erzielt werden können. Denn die Reduktion des Wärmebedarfs ist die Voraussetzung, erneuerbare Energien und Abwärme effizient in der Wärmeversorgung nutzen zu können.

Infrastrukturen resilient koppeln

„Never change a running system“ – dieser Grundsatz kann in der Energiewende nicht gelten: Indem Infrastrukturen miteinander gekoppelt werden, verändern sich die bisherigen Systeme. Was macht das mit der Verwundbarkeit und der Resilienz? Richtung und Ausmaß dieser Veränderung hängen von der Intensität der Kopplungen ab und davon, wie Schnittstellen zwischen den Infrastrukturen gestaltet werden.

Rolle der Bürger/innen im Wandel

Die Transformation städtischer Energieinfrastrukturen kann Auswirkungen auf die Bürger/innen haben. Für die Verbraucher/innen ist eine zuverlässige und preisgünstige Versorgung wichtig. Eigentümer/innen von Gebäuden haben dabei andere Möglichkeiten als Mieter/innen an der Energiewende zu partizipieren. In Städten ist eine Einbindung der Mieter/innen und eine faire Kosten-Nutzen-Verteilung besonders wichtig.

Eigentümer- und Governancestrukturen gestalten

An der Gestaltung der Energieinfrastrukturen beteiligen sich gegenwärtig unterschiedliche Akteure. Das Geflecht von privaten Unternehmen, kommunalen Akteuren und diversen Bottom-up-Initiativen führt zu Auseinandersetzungen darüber, welche Governancestrukturen geeignet sind, um sozial-ökologische Ziele in einem erfolgreichen Transformationsprozess zu erreichen, und wie gelungene Kooperationen aussehen können. In Berlin stellt sich außerdem die Frage, wie die Verwaltungsebenen gut zusammenarbeiten können.

Das Projekt Urbane Wärmewende verfolgt das Leitbild einer städtischen Wärmeversorgung, die umwelt- und sozialverträglich sowie intelligent mit anderen Infrastrukturen vernetzt und resilient gestaltet ist.